Mattensplitter

Bantam, ..... wer ist das?

Geschrieben von Egon Janz
Hajo Jurisch, sicherlich ein Fan der Kampfsportarten, wandte sich an den Ringerverband NRW mit einer Frage zur Herkunft der Gewichtsklassenbezeichnungen:

In dem Regelwerk für das Ringen gebe es keine verbalen Zuordnungen von Gewichtsklassen zu Gewichtslimits wie Fliegengewicht zu 52 Kg, Leichtgewicht zu 69 Kg etc. In der Presse z. B. werde die 55 Kg-Klasse als Fliegen- und die 120 Kg Klasse als Schwergewicht bezeichnet. Bei wikipedia gebe es ganz andere Bezeichnungen. Was sei nun richtig?
So, da saß ich nun, als sogenannter Experte eines Fachverbandes. Handelte es sich doch zweifellos um eine interessante Frage, die man eigentlich aus dem Stand hätte beantworten müssen. Aber, wie es so oft ist, die Dinge sind nicht so leicht, wie sie zunächst manches Mal erscheinen.

Als erstes konsultierte ich - da der Einsender sicherlich das World-Wide-Web hinreichend und ausführlich zurate gezogen hatte - unseren alten Ringerpapst und den fundiertesten Pressereferenten, den der Ringkampfsport jemals hervorgebracht hat, Karl Adolf Scherer. Und tatsächlich, in seinem Werk „Hundert Jahre Ringen in Deutschland“ finden sich die Deutschen Meister im griechisch-römischen Stil, beginnend vom



Auch die Freistilmeister sind bei Scherer aufgeführt. Zwar sind die Gewichtsklassenbezeichnungen mit denen der Klassiker identisch, die Jahre der erstmaligen Ausrichtung der Meisterschaften weichen jedoch erheblich voneinander ab. So gab es mit Willi Müller den ersten Deutschen Freistilmeister im Superschwergewicht erst im Jahre 1934.

Die daraus resultierende Erkenntnis: Im Ringkampfsport unterlagen und unterliegen die Gewichtsklasseneinführung und -einteilungen einem ständigen Wandel.

Was kann man noch tun, um den Dingen auf den Grund zu gehen? Das Naheliegendste ist, man fragt vermeintliche Experten. Da gibt es Peter Weber, den Pressereferenten des DRB und seinen Nachfolger im Amt Jörg Richter. Beide mussten passen. Althergebracht, so die Auskünfte, aber nichts Konkretes. Gleiches gilt für den ehemaligen Bundestrainer Lothar Ruch.

Michel wollte alles sehen

Dann gibt es einen Mann namens Michel Lefebvre, ehemaliger Jugendreferent des DRB und ein Statistikfreak alter Schule. Lefebvre hatte sich vor Jahren selbst einmal die Frage nach der Herkunft der Gewichtsklassenbezeichnungen gestellt.

Sein Lösungsansatz war visuell. Die Theorie: Alles was der Mensch sehen kann, setzt er in Relation zu anderen Dingen. So ist eine Fliege eben klein und leicht, ähnliches gilt eben für die Fliegengewichtler, ein Superschwerer hat dagegen von den Kilos einiges zu bieten, was auf der Matte schwerlich zu übersehen ist usw. Eigentlich logisch.

Dann aber scheiterte unser altgestandener Michel nach eigener Aussage kläglich, bei der Frage nämlich: „Wer oder was ist der Bantam?“ Den konnte er nicht sehen und auch nicht anfassen. War also nichts.

Ein wenig Historie

Ein Blick in die Historie kann vielleicht weiter helfen. br>
Die ersten Deutschen Meisterschaften im Ringen und Gewichtheben fanden am 1. April 1893 in Köln statt. Eine Gewichtsklasseneinteilung gab es nicht. Die Kämpfer wurden - so Karl Adolf Scherer - auch nicht gewogen. Das erste Wiegen für einen Deutschen Ringer erfolgte am 23. Mai 1904 bei der ersten inoffiziellen Weltmeisterschaft in Wien. Hans Schneider aus Nürnberg trat in der 70 Kg-Kategorie an.

Obwohl im Verbandsgebiet des damaligen Deutschen Athleten-Verbandes schon 1899 ein Leichtgewicht (wahrscheinlich 75 Kg) bekannt war, wurden die Gewichtsklasseneinteilungen erst 1906 offiziell eingeführt.

Bedürfnis der griffigen Gewichtsklassen

Irgendwie war aber das Bedürfnis der Kampfsportler ungebrochen, losgelöst von den jeweiligen Gewichtslimitierungen griffige Bezeichnungen für die Gewichtsklassen zu besitzen, die sie dann den Kämpfern schmückend zuordnen konnten.

Dies gilt für das Boxen, das Gewichtheben, das Judo und eben auch für die Ringer. Eine Deckungsgleiche hinsichtlich der Bezeichnungen und der jeweiligen Gewichtslimitierungen gibt es aber sportartübergreifend nicht.

Insgesamt sind mir 18 Gewichtsklassen in den vier vorgenannten Sportarten bekannt. Das geht vom Papiergewicht bis zu der sogenannten offenen Klasse im Judo, in der es keinerlei Gewichtslimit gibt.

Der Grundgedanke für die Festlegung von Gewichtslimitierungen war unbestritten, allen am Wettkampf beteiligten Sportlern Chancengleichheit zu verschaffen.

Hinzu kamen unterschiedliche Interessenlagen, sowohl national und auch international. Manchmal wurde um Kilos gefeilscht, um eigenen Athleten vermeintliche Vorteile zu verschaffen. Das führte immer wieder zu Änderungen bzw. Ergänzungen des Reglements.

Ein Beispiel für diese Theorie ist der WM-Sieg des Niederländers Anton Geesink im Jahre 1961. Die stolzen Asiaten, die sich vormals für unbesiegbar gehalten hatten, mussten lernen, dass Körpergröße und Gewicht in ihrem Sport eine nicht zu unterschätzende Bedeutung haben. Die bis dahin gegoltene „offene Klasse“ wurde daraufhin aufgeteilt.

Den Verfasser dieser Zeilen würde es sehr interessieren, ob jemand über mehr Wissen zu der von Hajo Jurisch aufgeworfenen Frage verfügt. Entsprechende Beiträge werden gerne veröffentlicht werden.